Nico Rose | Franchise Forum

Reflexion: Was Führung vom Impro-Schauspiel lernen kann

Ich hatte die große Freude, vor vielen Jahren einige Seminare zu Impro-Theater sowie Impro-Techniken in Coaching und Beratung bei Dr. Noni Höfner und ihrer Tochter Dr. Charlotte Cordes absolvieren zu dürfen. Einmal durfte ich auch noch Frank Farrelly persönlich erleben, bevor er vor zehn Jahren von uns gegangen ist. Alles in allem ein großer und vor allem lehrreicher Spaß. Auch, wenn ich danach nicht begonnen habe, aktiv Impro zu spielen und auch nicht bewusst im Coaching mit Impro-Techniken arbeite, hat mich die Arbeit damals dennoch nachhaltig inspiriert.

Ich bin davon überzeugt: Viele Aspekte der Improvisation sind auch hochrelevant für Führungskräfte. Natürlich findet Führung in Organisationen in einem (mehr oder weniger) geregelten Rahmen statt. Ab einer gewissen Unternehmensgröße gibt es in aller Regel Führungsleitlinien, ein Wertestatement und ähnliche Vorgaben. Zudem werden den Führungskräften Instrumente an die Hand gegeben, beispielsweise Leitfäden für Mitarbeitergespräche. Nichtdestotrotz spielt sich das Gros der Führungsinteraktionen im Alltag spontan – und damit in einem gewissen Maße: improvisiert – ab. Worauf wäre hier zu achten?

Am meisten denke ich noch über verschiedene Grundsätze – oder besser Haltungen – nach, die uns damals in verschiedenen Übungen immer wieder nahegebracht wurde. Drei davon werde ich im Folgenden vorstellen.

1) Angebote müssen angenommen werden!

Wenn man ohne Skript und (weitgehend) ohne Requisiten arbeitet, muss einer der Protagonisten (bzw. das Publikum) zu Beginn die Situation definieren. Man schlüpft also z.B. gedanklich in die Rolle einer Ärztin und sagt zum Spielpartner: „Setzen sie sich einmal hin und machen sie sich bitte obenrum frei.“ Der Partner kann dieses Angebot nun annehmen und die Definition übernehmen – ergo: mitspielen. Dann geht die Geschichte weiter. Er kann die Definition natürlich auch ablehnen und einen Gegenvorschlag machen („Was soll das? Ich bin doch der Arzt…“). Das kann dann sogar sehr lustig sein, à la Slapstick.

Die Herausforderung: Wenn sich die Protagonisten gegenseitig ihre Realitätsdefinitionen um die Ohren hauen, wird immer wieder der Flow der Geschichte unterbrochen. Das macht man ein- oder zweimal – und dann wird es schnell langweilig für die Zuschauer. Weil die Story eben nicht vom Fleck kommt. Von daher ist es meist gewinnbringender, sich auf den ursprünglichen Vorschlag des Gegenübers einzulassen und mitzuspielen.

Ich persönlich finde eine solche Haltung auch hilfreich, wenn es um die Führung von Menschen geht. Natürlich ist es nicht unsere Aufgabe, zu allem „Ja und Amen!“ zu sagen, das wäre verrückt. Aber die grundsätzliche Haltung — ich versuche, die Energie des Gegenüber aufzunehmen, mitzuspielen und bestenfalls zu verstärken — die halte ich für sehr begrüßenswert.

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2) Lass deinen Partner glänzen!

Wenn Menschen sich für Impro interessieren und einen Kurs belegen, haben sie zu Beginn meist die Vorstellung, sie müssten die ganze Zeit unglaublich unterhaltsame und bestenfalls witzige Dinge tun oder sagen. Häufig legen sie sich vor einer Spielrunde einige Ideen zurecht, nur um in der Folge festzustellen: Das Konzept ist doch nicht so lustig – und/oder das eigene Pulver ist viel zu schnell verschossen, während die Geschichte für Außenstehende noch nicht am Ende ist. Dann kommt es oft zu einem Blackout und diesem „Nichts-geht-mehr“-Gefühl (hier ist dann die dritte Haltung relevant).

Mit der Zeit lernt man, dass es sinnstiftender ist, bewusst dem Partner zum Strahlen zu verhelfen (z.B. dem anderen eine Steilvorlage zu geben), als selbst die ganze Zeit glänzen zu wollen. Zum einen nimmt das ein Stück weit den Druck raus, ständig etwas Außergewöhnliches abliefern zu müssen. Zum anderen zeigt sich verlässlich, dass einfach bessere Geschichten entstehen, wenn man spürt: Die Spieler gönnen sich gegenseitig das Scheinwerferlicht und wollen das Publikum gemeinsam unterhalten.

Auch diese Haltung lässt sich meines Erachtens sinnstiftend auf Führungskonstellationen übertragen — denn richtig verstanden bedeutet Führung (fast immer), andere in ihren Rollen zu bestärken, deren Performance zu verbessern — und nicht selbst das Rampenlicht zu horten.

3) Fehler sind sexy!

Die dritte Haltung kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn jemand sich in der Übungssituation verhaspelt oder steckenbleibt. Wenn nichts mehr geht, unterbricht die Leitung kurz und die übende Person bekommt von allen anderen einen kurzen Applaus spendiert. Auf die Weise wird mit der Zeit gelernt, dass Fehler zu machen im richtigen Kontext zur richtigen Zeit etwas Begrüßenswertes ist – und nichts, was es zu unterbinden gäbe. Im Übrigen zeigt sich: Aus den kleinen Fehlern, den Versprechern, den Missverständnissen: Aus diesem Fundus ergeben sich häufig die lustigsten Geschichten.

Mir ist klar, dass diese Haltung im unternehmerischen Kontext vermutlich am schwierigsten umzusetzen ist (zumal, wenn es um sicherheitskritische Aspekte geht), aber ich möchte sie hier nicht unterschlagen. Man sollte als Führungskraft nicht jeden Fehler der Mitarbeiter feiern, zumal es auch wirklich dumme Verhaltensweisen gibt. Aber: Eine zu rigide, bestrafende Haltung in Bezug auf Fehler führt erfahrungsgemäß dazu, dass Menschen diese lieber vertuschen, anstatt sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Dann ist für die Führung auch nichts gewonnen, denn ein Lernvorgang wird im Keim erstickt. Es gilt, immer wieder aufs Neue intelligent zu entscheiden, in welchen Situationen man Fehler ermutigen und vielleicht sogar beklatschen möchte – und wann sie zwingend zu unterbinden sind.

Zum Abschluss bleibt mir nur, Ihnen die Arbeit mit Noni und Lotte nochmals ans Herz zu legen. Ich habe schon in einer Unmenge von Seminaren Unmengen gelernt. Mit einem Bauchmuskelkater vom vielen Lachen bin ich allerdings nur bei den beiden Damen wieder nachhause gefahren…