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Nico Rose im Interview mit hr3: Wie mit Alltagsstress umgehen?

Am gestrigen Dienstag war Dr. Nico Rose nachmittags bei hr3 im Radio zu Gast. Mit der Moderatorin Carmen Schmalfeldt sprach er über die Bewältigung von Alltagsstress. Die wichtigsten Take-aways:

  • Stress an sich ist etwas völlig Normales, eine durchaus hilfreiche Reaktion des Körpers auf Belastungen. Unter anderem schüttet der Körper dann verschiedene Hormone und Neurotransmitter aus, um den Körper auf einen Kampf oder die Flucht vorzubereiten (z.B. Adrenalin und Cortisol). Das ist völlig normal und an sich nicht problematisch. Erst dauerhafter Stress (insbesondere, wenn wir das Gefühl haben, die Situation nicht kontrollieren zu können) ohne ausreichende Möglichkeit zur Erholung kann für Körper und Geist schädlich werden. Wichtig zur Bewältigung ist neben ausreichend Ruhephasen auch möglichst viel körperliche Bewegung.
  • Unsere Erwartungen und Denkmuster haben großen Einfluss auf unseren Stresslevel. Die gelebte Erfahrung zeigt (sowohl im Privat- wie auch im Arbeitsleben), dass man nie „irgendwann fertig mit allem“ ist – oder, dass alles perfekt wird. Sich von solchen unrealistischen Erwartungen langsam aber sich zu befreien, kann somit der Prävention von Stress dienlich sein.
  • Akuter Stress verengt unseren (mentalen) Blickwinkel. Darüber vergessen wir bisweilen, welche Ressourcen (a.k.a. Hilfe, Unterstützung) wir theoretisch zur Verfügung hätten. Hier kann nützlich sein, einen Moment bewusst innezuhalten, um zu schauen, wen wir in einer konkreten Stresssituation um Hilfe bitten könnten.
  • Es gibt viele wirksame Methoden, um präventiv mit übermäßigem Stress umzugehen bzw. diesen gar nicht erst entstehen zu lassen: Dazu gehören Yoga, Meditation, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung – aber auch Ausdauersport bei mittlerer Belastung, Fitnesstraining und ähnliche körperliche Betätigung. Die Herausforderung: In einer akuten Stressphase erst mit solchen Maßnahmen beginnen zu müssen, kann die gefühlte Zeitknappheit noch erhöhen. Es gilt also eher, solche Gewohnheiten in relativen Ruhephasen auf eine gute Art und Weise ins eigene Leben zu integrieren.

Kurze Übungen bei akutem Stress

Wenn man bemerkt, dass die aktuellen Belastungen zu Angstzuständen führen, kann die folgende kleine Übung helfen: Man nimmt sich einen beliebigen Gegenstand (z.B. einen Kugelschreiber oder einen Schlüssel) und konzentriert sich für ein, zwei Minuten mit allen Sinnen auf das physische Objekt: Wie schaut es aus? Wie riecht es? Wie fühlt es sich an, mit dem Finger darüberzustreichen? Wie klingt es, wenn man es mit dem Finger antippt? Usw. Dies ist im Grunde eine einfach Form der Achtsamkeitsübung. Sinn und Zweck ist es, uns selbst „aus dem Film herauszuholen“, der in akuten Stresssituationen oft in unseren Köpfen abgespult wird.

Des Weiteren kann es helfen, ein oder zwei Minuten ganz bewusst auf die eigene Atmung zu achten – und insbesondere die Bauchatmung zu stärken. Dazu legt man beide Hände locker auf den Bauch und atmet einige Sekunden lang möglichst tief durch die Nase ein. Der Bauch und die Flanken sollten sich dabei merklich ausdehnen. Dann ist die Luft dort angekommen, wo sie sein soll. Anschließend atmet man die Luft in einer gleichmäßigen Bewegung einige Sekunden lang durch die zu einem kleinen O geformten Lippen wieder aus (so, als wollte man eine Kerze auspusten, nur eben langsam und gleichmäßig, nicht stoßartig).

Um die Zuversicht und die Selbstwirksamkeit zu stärken, kann es zudem helfen, das zu praktizieren, was ich WWW (What Went Well) nenne. Damit ist gemeint, die eigene Aufmerksamkeit immer wieder einmal bewusst auf das zu richten, was trotz der aktuellen Schwierigkeiten gut funktioniert (hat). Das kann beispielsweise die Form eines kurzen Tagesrückblicks haben, im Bett kurz vor Einschlafen – oder auch eine kurze Rekapitulation der Woche am Freitagnachmittag. Wichtig: Es kann dabei nicht nur um Erfolge. Man darf breiter schauen, auf das, was uns erfreut oder ein wenig energetisiert hat. Forschungsergebnisse legen nah, da solche regelmäßigen WWW-Momente nachhaltig stimmungsaufhellend wirken können.