Nico Rose | Lesung | Wacken 2023

Rückblick W:O:A 2023: Thank you very Matsch!

Nico Rose | Mikkey Dee | Wacken

Es ist schwierig und vielleicht auch müßig, solche Vergleiche anzustellen, aber „mein Wacken 2023“ gehört eindeutig zu den coolsten Erfahrungen bisher auf dem norddeutschen Metal-Acker. Ein wenig Wehmut schwang immer mit ob der vielen Menschen, die dieses Jahr nicht teilnehmen konnten (dazu unten mehr), aber wenn ich diesen unglücklichen Umstand für einen Moment ausblenden darf: Dann, ja dann war es einfach geil!

Ich war am Mittwoch keine zwei Minuten auf dem Gelände, da lief mir dieser Mensch fast in die Arme. Für Uneingeweihte: Das ist nicht Heidi Klum in ungeschminkt, sondern Mikkey Dee, der legendäre Schlagzeuger von Motörhead (bis 2015) und aktuell: den Scorpions (Headliner auf Wacken 2024). Er kam von einer Zeremonie, in deren Rahmen ein Teil der Asche von Lemmy Kilmister in Wacken begraben wurde und stand später noch mehrere Male auf der Bühne, z.B. bei der Jubiläumsshow von Doro, dem Highlight am Mittwochabend.

Nico Rose | Doro Pesch | Wacken


Sabina Classen | Wacken 2023Mein ganz persönliches Highlight am Mittwoch war um Schlag Mitternacht allerdings das Konzert der Thrash-Legende Holy Moses mit Sabina Classen, die sich derzeit auf Abschiedstournee befinden. Sabina ist mit einem Interview in Hard, Heavy & Happy vertreten. Als sie im Laufe des Konzerts auf die Speaker vor der Bühne kletterte, konnte ich diesen coolen Schnappschuss machen. Holy Moses wurden vor etwa 43 Jahren gegründet. Am 27. Dezember feiert Sabina ihren 60. Geburtstag. An diesem Tag findet auch das letzte Konzert der Band statt, in der legendären Markthalle in Hamburg.

Am Folgetag ergab sich noch ein Treffen mit Sabina am Stand von Metality e.V., bei dem Rene Otto das folgende schöne Foto schießen konnte.

Nico Rose | Sabina Classen | Wacken 2023


Der Donnerstag war zunächst geprägt von meiner Lesung auf der „Welcome to the Jungle“-Stage. Wie im letzten Jahr durfte ich aus Hard, Heavy & Happy vorlesen, dieses Jahr eine satte Stunde. Rene Otto hat das dankenswerterweise fotografisch festgehalten (mehr Bilder im Ministerium für Schwermetall).

Nico Rose | Lesung | Wacken 2023

Direkt im Anschluss fand eine Signierstunde am Stand von Metality e.V. statt, einem gemeinnützigen Verein, den ich vor einigen Jahren mitgegründet habe. Die Organisation vernetzt Metalheads in lokalen Chaptern und engagiert sich auch sozial. Ein Leuchtturm-Projekt ist das Black Dog-Bändchen, welches Awareness und Verständnis für Depressionen schaffen soll (die dpa hatte neulich berichtet). Eine Journalistin hat das Thema aktuell für die ZEIT aufgegriffen; dieser Beitrag findet sich hier (weitere Fotos von der Signierstunde im Ministerium für Schwermetall).

Ich habe gute eineinhalb Stunden Bücher signiert, Selfies gemacht und Menschen umarmt. Danach war mein „Social Budget“ für den Tag allerdings erschöpft.

Nico Rose | Wacken | Signierstunde


Den Abend verbrachte ich vorwiegend mit mir selbst (unter +60.000 Menschen, natürlich …), u.a. beim Gig der Ruhrpott-Legende Kreator und schließlich bei der Gute-Laune-Sause von Helloween. Die Band war meine erste große Metal-Liebe, ich lasse mir nach Möglichkeit kein Konzert entgehen. In diesem Jahr hatte das Team des W:O:A nach jedem Headliner eine fantastische Drohnen-Show organisiert. Das sah dann so aus:

Helloween | Wacken | Drohnen

Nico Rose | Peavy Wagner | WackenIm Artist-Bereich ergaben sich noch Begegnungen mit zwei sehr unterschiedlichen Legenden der harten Gitarrenmusik. Peavy Wagner ist Sänger und Bassist von Rage, einer Power Metal-Band, die ich seit rund 30 Jahre schätze, vor allem für ihre Kooperationen mit klassischen Orchestern. Dazu gibt es auch eine Passage in Hard, Heavy & Happy (Ausschnitt einer Lesung im Drachenwinkel).

Fast in die Hosen gesch.ssen hätte ich mir am Freitag allerdings, als mir Ville Valo über den Weg lief. Ich habe seine frühere Band H.I.M. verehrt, sie 1998 auf der ersten Deutschland-Tournee in Dortmund gesehen. Seine Musik hat mir damals durch den einen oder anderen Herzschmerz geholfen. Finnen gelten als wortkarg, haben nach meiner Erfahrung aber einen ganz feinen, häufig selbstironischen Humor. Dementsprechend ergab sich der folgende kurze Dialog:

Nico: „Ich hab deine Musik früher geliebt, hab euch auf der ersten Deutschlandtour 1998 gesehen. Damals hab ich auch noch selbst Musik gemacht. Ich wollte immer so Songs schreiben wie du.“
Ville: „Oh, das tut mir leid.“

Nico Rose | Ville Valo | Wacken


Beim Thema Herzschmerz möchte ich auf die Tatsache zurückkommen, dass aufgrund des katastrophalen Wetters an den Anreisetagen 2023 viele tausend Menschen nicht mit uns auf dem heiligen Acker feiern konnten. Ich kann den Frust und die Enttäuschung dieser Menschen mehr als nachvollziehen. Sie waren jederzeit präsent, in Gedanken, in Gesprächen, in den Ansagen der Künstler auf der Bühne.

Nico Rose | Thomas Jensen | WackenWas ich jedoch nicht nachvollziehen kann, ist der Vorwurf, dass hier irgendwie aus Geldgier gehandelt wurde. Ich bin recht nah dran am Geschehen hinter den Bühnen und kann sagen: Es standen viele tausend Menschen – inklusive der Geschäftsleitung – 24 Stunden im Matsch, um das möglich zu machen, was in diesem Jahr möglich war. Ich bedanke mich herzlich bei der Feuerwehr, der Polizei, der Bundeswehr, den Landwirte mit ihren Traktoren — und der Unmenge an helfenden Händen, gleich welcher Art.

Ich konnte jeden Tag kurz mit Thomas Jensen, Mitgründer und Sprachrohr von Wacken, schnacken. Auch wenn sich seine Laune nach hinten raus merklich besserte, war seine Sorge und sein Schmerz jederzeit spürbar. Wenn es um Geld ginge, hätten Holger Hübner und Thomas schon vor Jahren die Hände in den Schoß legen können. Sie machen das Ganze, wie schon bei der ersten Ausgabe 1990, für die Fans und wegen ihrer Liebe zur Musik. Thomas ist „ein Guter“. Ich habe, wie so viele andere Menschen, trotzdem mein Selfie bekommen. Aber wie man sehen kann: In Gedanken war er woanders. Was er mir dort sagte, hat mich bewegt:

 „Die Menschen, die dieses Jahr zu Hause geblieben sind: Das sind die Helden.“

Wacken 2023 | Memento Mori


Am Freitag war ich ehrlich gesagt schon recht kaputt, habe mir aber natürlich die Shows von Megadeth (in Teilen) und Iron Maiden (in Gänze) nicht entgehen lassen. Der Sound der Mannen um Bruce Dickinson war ein bisschen dünn (zumindest, wo ich stand), aber das hat der Freude wenig Abbruch getan. Schlagzeuger Nicko McBrain ist über 70 und hatte Anfang des Jahres einen leichten Schlaganfall. Ich bin dankbar für jedes Konzert, bei dem ich noch „Fear of the Dark“ schmettern darf. Der Abend endete (für mich) mit der erneut phänomenalen Drohnen-Show.

Ich bedanke mich noch herzlich bei den Menschen, die mich spontan wieder aufgerichtet haben, als sich meine beiden Gummistiefel gleichzeitig bombenfest in den Matsch gesaugt hatten und ich beim exzessiven Headbangen fast nach hinten umgekippt wäre.

Wacken | Iron Maiden | Drohnen


Am Samstagmittag habe ich spontan am Stand des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter vorbeigeschaut, der freundlicherweise wie 2022 ein größere Anzahl von Exemplaren von Hard, Heavy & Happy im Angebot hatten. Herzlichen Dank für euren Support!

Mein Wacken 2023 endete mit einem weiteren, veritablen Fanboy-Moment, denn meine Kolleginnen und Kollegen von Metality e.V. hatten ein Meet & Greet mit dem Comedian Torsten Sträter organisiert, der dieses Jahr zweimal auf der bereits erwähnten Jungle-Stage aufgetrat.

Torsten Sträter hat mir schon viele heitere Stunden beschert, ist aber auch von Depressionen betroffen und hat unserem Verein mit einem Foto samt Black Dog-Bändchen sehr viel Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen. Ich habe ihm geplant ein Exemplar meines Buches übergeben. Ungeplant schenkte ich ihm zudem noch mein Wacken-Beanie. Er wollte es haben, da machste nix (Danke an Patrick Martin für das fantastiliöse Foto).

Nico Rose | Torsten Sträter | Wacken


Danach habe ich mich aus einem Bauchgefühl heraus verabschiedet, erstmals den Samstagabend trotz geiler Headlinder ausgelassen. Dieser Intuition zu folgen, war goldrichtig. Am Sonntagnachmittag stand unser Keller in meiner Heimat Hamm dank Extremwetter ordentlich unter Wasser. Ich bin dankbar, dass ich zu der Zeit nicht mehr im Zug saß, sondern meine Frau zuhause unterstützen konnte. Eben noch fühlst du dich wie der König von Wacken, dann komm so eine Schei.e. So ist das Leben…


Wenn mich Holger und Thomas wieder reinlassen, heißt es für mich 2024 auf jeden Fall: „See you in Wacken, Rain or Shine!“

Nico Rose | Wacken | Hörner


Eine „Honorable Mention“ geht noch raus an Thorsten Wilms. Im richtigen Leben ist er ein gefragter Werbetexter, in seinem anderen richtigen Leben als Rod Usher zudem Leader der Horror Punk-Band The Other, meiner „großen Entdeckung“ auf Wacken 2022. Thorsten hat sich außerdem bereiterklärt, dass Vorwort für mein neues Buch Heavy Metal B(r)ands (mit Götz Ulmer) zu schreiben. Das hat er ausnehmend gut gemacht. Zudem kann er viel besser böse gucken als ich…