Nico Rose | Speaker | Cornerstone

Reflexion: Der Weg in die Selbstständigkeit

Vor einem Jahr habe ich, auch dank Ermutigung durch meine Frau (a.k.a. ein kräftiger Tritt in den Allerwertesten…) den Schritt gewagt und mich erstmals komplett* selbstständig gemacht. Heute bin ich glücklich mit dieser Entscheidung, habe völlig unterschätzt, wie zufriedenstellend es sein kann, vollkommen selbstbestimmt zu arbeiten.

Zur Wahrheit von angestellter Arbeit gehört zwingend, sich in Regeln und Strukturen einfügen zu müssen, die andere Menschen gemacht haben. Das war noch nie meine Stärke. Heute kann ich aufstehen, wann ich will. Arbeiten (und nicht arbeiten), wann ich will. Kann ans Telefon gehen oder nicht, auf Mails antworten oder schweigen. Meine Regeln, mein Rahmen, meine Zeit.

Nico Rose Keynote

Wenn ich nicht arbeite (oder keine erstklassigen Leistungen abliefere), fließt auch kein Geld, während Hypothek, Versicherung & Co. weiterlaufen. Aber es zeigt sich verlässlich, was in der Forschung seit 40 Jahren gut bekannt ist: Selbstbestimmtheit ist ein wunderbarer Nährboden für intrinsische Motivation.

Die Tage ohne Arbeit mit Klienten sind gefüllt mit Planung, Verwaltung – und vor allem: Schreiben. Buch Nummer 8 erscheint in sechs Wochen. Die nächsten Projekte sind in Planung, die Ideen werden eher mehr als weniger. Ein weiteres Plus: Ich habe mehr und flexibler Zeit für die Kids.

Auf der anderen Seite steht, das gehört zum Gesamtbild dazu, eine deutlich größere Unsicherheit.** Ich bin gut ausgelastet, aber die Angst vor der nächsten großen Krise schwingt immer leise mit. Ebenso spielt die Sorge um die eigene Gesundheit eine größere Rolle als früher. Hinzukommen regelmäßig „wundersame Interaktionen“ mit dem Finanzamt, aber da wird man mit der Zeit gelassener.

In Summe gibt es wenig zu bereuen und viel zu genießen. Alle paar Monate meldet sich ein Headhunter, es sind durchaus spannende Unternehmen und Rollen dabei. Aber das „Schmerzensgeld-Premium“, das es benötigen würde, um mich wieder in die abhängige Arbeit zu bewegen, ist aktuell zu hoch…

Ein Blick in die Forschung

Nachdem ich die o.g. Zeilen zu digitalem Papier gebracht hatte, habe ich noch ein wenig in der Forschung gestöbert. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass (erfolgreiche) Selbstständigkeit mit einer Reihe von Vorteilen einhergeht.

  • Im Mittel sind Selbstständige wesentlich zufriedener mit ihrer Arbeitssituation, und zwar kulturübergreifend.
  • Der wichtigste Treiber für das Plus an Arbeitszufriedenheit ist das höhere Level an (wahrgenommener) Autonomie.
  • Unter richtigen Rahmenbedingungen profitieren Selbstständige auch übergreifend von höherer Lebenszufriedenheit.
  • Einschränkend: Vieles hängt davon ab, ob man sich proaktiv selbstständig macht — oder, ob der Weg aus der Not heraus geboren ist. „Selbstständigkeit als Ausweg“ hat nicht die gleichen positiven Konsequenzen. Solche Personen sind im Mittel unzufriedener als Angestellte.

* Ich war seit 2008 durchgehend nebenberuflich selbständig.

** Ich stamme aus einem doppelten Beamtenhaushalt. Berufliche Risikoaffinität ist mir nicht gerade in die Wiege gelegt.