Glück Zufriedenheit

Forschung: Warum der „Happiness Pie“ neu angeschnitten werden muss

Vor einigen Tagen habe ich auf der 3. Tagung der DGPPF (Deutsche Gesellschaft für Forschung zur Positiven Psychologie) an der Ruhr-Universität Bochum einen Vortrag zum Thema Führen mit Sinn gehalten. Die Opening Keynote wurde von Prof. Dr. Maike Luhmann gehalten, die unter anderem den Einfluss von Lebensereignissen auf die Lebenszufriedenheit erforscht.

Sie präsentierte einige sehr faszinierende Daten darüber, was unsere Lebenszufriedenheit signifikant und für längere Zeiträume verändern kann (z.B. Arbeitslosigkeit) und was nicht (z.B. der Sieg der Lieblingsfußballmannschaft bei einem großen Spiel). An einer Stelle ihrer Präsentation zeigte sie eine Folie, die ein Diagramm* in der folgenden Art enthielt:

New Happiness Pie
Dabei bezog sie sich auf eine Forschungsarbeit, das von Nicholas Brown und Julia Rohrer verfasst wurde. Brown hat in den letzten Jahren eine gewisse Berühmtheit erlangt, indem er einige der bestehenden Forschungsarbeiten und die zugrundeliegenden Annahmen in der Positiven Psychologie in Frage gestellt hat, z.B. die sogenannte „Losada Ratio“, die behauptet, es gäbe ein optimales Verhältnis von positiven und negativen Interaktionen in Teams. Er ist außerdem Herausgeber des „The Routledge International Handbook of Critical Positive Psychology“. Mit seiner neuen Arbeit setzt er sich mit einer weiteren Idee auseinander, die der Positiven Psychologen ziemlich ans Herz gewachsen ist.

Das oben abgebildete Diagramm ist eine aktualisierte Version dessen, was als Happiness Pie bekannt geworden ist, ein Framework, das in der Positiven Psychologie durch die Arbeit von Sonja Lyubomirsky populär gemacht wurde, zunächst durch eine viel zitierte Forschungsarbeit, später dann durch ihr Buch einflussreiches Buch „The How of Happiness.“ Verkürzt ausgedrückt, behauptet das ursprüngliche Konzept, dass die Varianz in einer Population in Bezug auf das psychologische Wohlbefinden durch drei verschiedene Faktoren erklärt werden kann:

  • ein genetisch bedingte Baseline (50 %);
  • alle unsere Lebensumstände zusammen (z.B. das Einkommen: 10 %);
  • intentionale Aktivitäten (wie in der Positiven Psychologie beschrieben, z.B. das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs: 40%).

Ich bin mir darüber im Klaren, dass Lyubomirsky Menschen rät, diese Zahlen nicht als exakte Messwerte zu betrachten. Ihre Intention ist es, den Menschen bewusst zu machen, dass wir durchaus einen persönlichen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben können, indem wir bestimmte Gewohnheiten kultivieren; und dass wir nicht ausschließlich ein Produkt unserer Gene und äußeren Lebensumstände sind.

Als Deutscher, der um die Vorzüge von 30 Tagen bezahltem Urlaub, einem verlässlichen Sozialversicherungssystem und einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung für jedermann weiß, bin ich allerdings etwas skeptisch, was die geringe Zahl der äußeren Umstände im ursprünglichen Modell angeht. Dies ist auch eines der Hauptargumente, die Brown und Rohrer in ihrem Papier anführen: Der ursprüngliche Kuchen unterschätzt die Rolle von sozioökonomischen Faktoren und überschätzt die Rolle intentionale Aktivität.

Das Papier beschreibt im Detail einige der Unzulänglichkeiten des ursprünglichen Frameworks. Einige Argumente beruhen auf einer Kritik der statistischen Methoden, andere sind durch theoretischen Fragen begründet. Ich werde sie hier nicht alle erwähnen (bitte lesen Sie das Papier, es kann kostenlos heruntergeladen werden), aber im Folgenden präsentiere ich einige der Hauptkritikpunkte:

  • Selbst wenn das Modell für die Betrachtung einer Population korrekt wäre, gilt es nicht unbedingt bei der Betrachtung von Individuen.
  • Die Schätzungen werden mit großer Wahrscheinlichkeit unterschiedlich sein, wenn man verschiedene Populationen betrachtet.
  • Selbst wenn 60 % der Varianz durch die Baseline und unsere Lebensumstände erklärt werden könnten, bedeutet dies nicht unbedingt, dass die verbleibenden 40 % vollständig auf intentionale Aktivitäten zurückgeführt werden können (es gibt einen Fehlerterm).
  • Die additive Natur des Modells ist höchstwahrscheinlich falsch. Z.B. werden unsere Gene und unsere äußeren Umstände beeinflussen, welche Art von intentionalen Handlungen wir überhaupt (erfolgreich) ausführen können.
  • Die Schätzung von 10% für die Lebensumstände ist höchstwahrscheinlich zu niedrig, da sie auf einer eher unvollständigen Liste aller möglichen äußeren Faktoren basiert.

* Bitte beachten Sie, dass dieser aktualisierte Happiness Pie mit einiger Wahrscheinlichkeit etwas näher an „der Wahrheit“ liegt. Gleichzeitig leidet er an ähnlichen Ungenauigkeiten wie die vorige Version. Es besteht ein natürliches Spannungsfeld zwischen akademischer Genauigkeit auf der einen Seite und der Notwendigkeit (aus meiner Sicht), eine breitere Öffentlichkeit über Forschungsergebnisse auf dem Laufenden zu halten auf der anderen Seite.


Beitragsbild