Warum ich mich für die FDP engagiere

2016 bin ich in die FDP eingetreten.

Könnte ich diesen Satz einer jüngeren Version meiner selbst vorlesen, so würde diese augenblicklich in schallendes Gelächter ausbrechen. Sie würde mir zurufen: „Alter, verarschen kann ich mich alleine.“ So dermaßen abwegig gewesen wäre es gewesen. Und doch ist es so. Ich engagiere mich nun seit mehreren Jahren für die Partei, 2016 habe ich schließlich den Mitgliedsantrag abgeschickt. Warum ist das so? Diese Frage lässt sich am besten zweigeteilt beantworten. Da ist zum einen der Punkt: Warum engagiere ich mich überhaupt politisch? Und zum anderen: Warum tue ich das bei der FDP? Ich werde diese beiden Punkte im Folgenden erläutern, in umgekehrter Reihenfolge.

Nico Rose mit Christian Lindner

Zunächst einmal gibt es einen ganz rationalen Grund, mich bei der liberalen Partei in Deutschland zu engagieren. Ich nutze, solange es diesen gibt, vor jeder Wahl den relevanten Wahl-O-Mat. Ich war früher ehrlich gesagt einfach zu faul und zu uninteressiert, um ganze Wahlprogramme zu studieren. Aber quasi auf Verdacht Kreuze auf dem Wahlzettel zu machen, wäre mir töricht erschienen. Bisher hat mich die Software immer darin bestätigt, dass die programmatische Ausrichtung der FDP meinen politischen Vorstellungen am nächsten kommt. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.

Wenn man die richtige Rolle im falschen Film findet

Ich begann, mich aktiv für die FDP zu engagieren, als sie bundespolitisch tief in der außerparlamentarischen Opposition versunken war, als es fast einem Coming-Out glich, wenn man sich öffentlich als Unterstützer der Liberalen zu erkennen gab. Im Sommer 2014 sprach mich eine Freundin an, ob ich nicht Lust hätte, an einem Workshop teilzunehmen. Es ginge darum, an der Frage zu arbeiten, wie die FDP 2017 in den Bundestag zurückkehren könne – und überhaupt, wie um es um die Zukunft des Liberalismus in Deutschland bestellt sei. Ich meine mich vage erinnern zu können, dass sie sinngemäß sagte „Wir hätten gerne noch einen Kreativen, etwas Verrückten dabei“ – aber das ist eine andere Geschichte.

Ohne vorher groß darüber nachzudenken, nahm ich an diesem Workshop teil. Und dann an noch einem. Und noch einem. Parteichef Christian Lindner war immer dabei. Unter den weiteren Teilnehmern waren viele hochrangige Manager, Unternehmer, erfolgreiche Gründer und hochdekorierte Professoren. Als kleiner Beamtensohn aus Hamm (zumindest im Herzen…) hatte ich am Anfang manchmal das Gefühl, aus Versehen in ein Meeting hereingeplatzt zu sein, auf dessen Gästeliste ich nicht wirklich stand.

Doch ich machte eine wichtige Erfahrung: Man hat mir zugehört. Von Anfang an. Nicht im Sinne von „Ich nicke mal freundlich und mache dann weiter…“. Man hat mir wirklich zugehört. Hat sich mit meinem Input beschäftigt, so unqualifiziert dieser am Anfang gewesen sein mag, hat mir Feedback gegeben, wohlwollend und auch konstruktiv-kritisch.

Man hat mich, als politischen Laien, aktiv eingeladen, ja unmissverständlich aufgefordert, mich einzubringen, mitzugestalten: Am neuen Leitbild der FDP, an der Programmatik, an der Kommunikationsstrategie. Und das tat ich. Darüber lernte ich die anderen Teilnehmer besser kennen, darunter so inspirierende Persönlichkeiten wie Verena Pausder (Gründerin von Fox & Sheep, einer erfolgreichen Softwareschmiede für Kinder-Apps), oder Fabian Kienbaum, den Geschäftsführenden Gesellschafter der gleichnamigen Unternehmensberatung.

Es wäre nun ein Leichtes zu sagen: „Da ist sie wieder, die Partei der Unternehmer und Besserverdienenden“. Doch das wäre ein klassischer Fall von „Thema verfehlt“. Was ich im Rahmen meines Engagements bei der FDP vorgefunden habe, ist – bei aller Unterschiedlichkeit der Menschen – eine geteilte Grundüberzeugung: Der Glaube an die Stärke des Individuums, die Schaffenskraft, das Unternehmerische im weiteren Sinn. Menschen, denen Optimismus näher liegt als die Sorge ums Scheitern, die immer wieder ins Risiko gegangen sind und dies tun werden, so lange sie leben. Das ist ein „Tribe“, in dem ich mich wohlfühle.

Nicht „Ja und Amen“

Wichtig: Ich stimme nicht mit jedem Programmpunkt und politischen Beschluss der FDP überein. Bei der Energiepolitik beispielsweise, oder auch bei der Elektromobilität, wünsche ich mir eine progressivere Ausrichtung. Vor allem aber: Da ich mich als Experte für Positive Psychologie seit vielen Jahren sehr intensiv mit den Vor- Rahmenbedingungen menschlichen Wohlergehens beschäftige, auf dem individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Level, weiß ich sehr gut, dass das systemische Wohlbefinden in Deutschland am nachhaltigsten gesteigert werden könnte, wenn wir den Ärmsten unter uns deutliche mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen würden (siehe dazu meinen Artikel auf ZEIT Online).

Vielleicht bin ich also so eine Art Sozial-Liberaler. Ist doch gut, das gehört dazu.

 

Demokratie ist kein Zuschauersport

Zur zweiten Frage, warum ich mich überhaupt politisch engagiere: Ich bin gemäß meiner Natur ein Freund von nicht-parteigebundenem Engagement – aber ich fürchte, das hilft in der gegenwärtigen Situation nicht weiter. In Anbetracht der jüngeren Wahlergebnisse in einigen deutschen Bundesländern, in diversen Ländern Europas – und anderswo, halte ich es für eminent wichtig, die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv mit zu verteidigen. Die AFD zerlegt sich zwar in den letzten Wochen ein Stück weit selbst, aber darauf vertraue ich nicht.

Nur wer demokratischen Parteien direkt zu Stimmen verhilft, schwächt damit die radikalen politischen Kräfte in Deutschland. Es hilft leider nicht viel, wenn wir in parteiungebundenen Vereinigungen unsere Meinung vertreten, weil die entscheidenden Stellhebel nun einmal Parlamente, Stadträte und ähnliche Organe sind. Im Übrigen kann man das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Mein Appell an alle, die dies lesen, lautet: Jetzt ist nicht die Zeit, sich rauszuhalten. Suchen Sie sich die demokratisch gesinnte Partei (und ja: das exkludiert die AFD und einige weitere), die Ihnen am nächsten steht und fangen Sie an, sich zu engagieren, wenn Sie es bislang nicht tun.

Ich möchte 2017 und darüber hinaus in Deutschland einen Wettstreit der besten demokratischen Ideen untereinander erleben, nicht einen der Demokratie gegen „anders geartete Systeme“.

Ich habe mir von meinem Opa – Gott hab ihn selig – immer und immer wieder seine Erlebnisse aus dem Zweiten Weltkrieg angehört, anhören müssen: Wie er verwundet und wieder zusammengeflickt wurde, erneut verwundet und wieder zusammengeflickt, bis es nach einem indirekten Granatentreffer „gut“ war. Wie er einen Urlaubsschein für junge Soldaten unter seiner Verantwortung unterschrieben hat, die kurz vor der Abreise von einer Mörsergeschoss „zermatscht“ wurden. Wie er auf der Flucht tausende Kameraden hat sterben sehen, während ihre Schiffe, von Torpedos getroffen, in der eisigen Ostsee versanken.

Ich habe diese Geschichten so oft gehört, dass es mir manchmal scheint, als sei ich selbst dort gewesen, als wären es meine Erinnerungen, nicht seine. Als Jugendlicher habe ich ihn lange Jahre mit versorgt und gepflegt, auch die von Granatensplittern versteiften Knie, die Füße, an denen so viele Zehen gefehlt haben. Es ist völlig unerheblich, dass er in der „deutschen Armee“ gekämpft hat. Er hat seinen Preis bezahlt, vielleicht war es sogar der größte Preis, dass er weiterleben musste, während so viele andere im Krieg geblieben sind. Diese Welt braucht das nicht noch einmal! Was wir brauchen, ist ein geeintes Europa, offene Grenzen, freizügigen Handel.

Wie bereits betont: Ich bin im Grunde ein Freund von nicht-parteigebundenem Engagement. In eine Partei einzutreten hat mich – trotz aller inhaltlichen Nähe – Überwindung gekostet. Es war ein wohlüberlegter, alles andere als leichtfertiger Schritt. Aber ich habe ihn nicht bereut.

Wie steht´s mit Ihnen?

P.S.
Ich möchte mich explizit bei Johannes Vogel bedanken, dem Generalsekretär der NRW-FDP. Er ist mit seiner engagierten, sympathisch-abholenden Art und Weise der eigentliche Grund, warum ich damals nach dem ersten Workshop wiedergekommen bin.

Habt ihr schon mal etwas gemacht, von dem ihr überzeugt wart, dass es richtig ist? Meine Antwort: im Spot zur Landtagswahl. CL

Publié par Christian Lindner sur mercredi 19 avril 2017