Nico Rose | Urania Berlin

Reflexion: Kann man Optimismus lernen?

„Kann man Optimismus lernen“, hat uns der frühere Bertelsmann-Kollege Nikolaus Roettger im Rahmen einer Veranstaltungsreihe an der Urania Berlin letzte Woche gefragt. Uns, das waren Prof. Dr. Katja Nettesheim, Ellen Scheiter und ich. Wenig überraschend haben wir diese Frage unisono mit „Ja!“ beantwortet.

  • Ellen bildet mit ihrer Organisation LehrerInnen im Schulfach Glück aus. Wie Prof. Dr. Judith Mangelsdorf letzte Woche in ihrer Analyse des aktuellen World Happiness Report aufgezeigt hat, scheint das auch bitter nötig — sind doch die Menschen unter 30 in Deutschland wesentlich unglücklicher mit ihrer Lebenssituation als die älteren Semester. Optimismus lässt sich psychologisch als ein Baustein von Resilienz betrachten. Davon können wir alle in den nächsten Jahren sicherlich eine Menge gebrauchen.
  • Katja hat für einen optimistischen, offenen Umgang Deutschlands mit KI plädiert, dabei aber auch von ihren unternehmerischen Tiefpunkten berichtet. Ähnlich wie Ellen ist sie davon überzeugt, dass Resilienz eine vermittelbare Fähigkeit ist, was sie u.a. mit ihrem Unternehmen Culcha vorantreibt.

Ich hatte vorbereitend einige Aspekte aus der psychologischen Grundlagenforschung beigesteuert. In der Psychologie gibt es zwei Forschungstraditionen zum Optimismus: Manche Forscher untersuchen ihn als mehr oder weniger unabänderliche Facette unserer Persönlichkeit. In einer anderen Spielart, die auf Martin Seligman zurückgeht, wird Optimismus hingegen als Attributionsstil verstanden. Etwas verkürzt ausgedrückt geht es hier um die Geschichten, die wir uns selbst über unser Leben und unsere Rolle darin erzählen.

Wir wissen z.B., dass viele depressive Menschen mit der Zeit dazu neigen, ihre missliche Lage als dauerhaft und unveränderlich anzusehen. Im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie wird ihnen beigebracht, dieses Schwarz-Sehen wieder mehr zu „verflüssigen“, die Graustufen zu erkennen – und neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Diese Form der Zuversicht wirkt sich dann interessanterweise auch auf die Gefühlswelt aus.

Für mich ist dieses Geschichten-Erzählen eine Art Lebensversicherung. Ich neige „von Haus aus“ zu Pessimismus und leider auch zu Depressionen. Wir alle fallen ab und zu mal in ein Loch, doch meines ist von Geburt an einfach sehr tief – und einmal unten gelandet, ist es schwierig für mich, wieder herauszufinden. Ich habe über die letzten 15 Jahre gelernt, gut auf mich aufzupassen, mir (und anderen) die Geschichten zu erzählen, die ich hören muss, um zuversichtlich (und gesund!) zu bleiben.

Das hat im Übrigen wenig bis gar nichts mit Scheuklappen-Denken zu tun. Ich lese jeden Tag die Nachrichten und bin genauso besorgt wie die meisten. Ich bin gerade 46 geworden und mir schmerzlich der Tatsache bewusst, dass ich mehr Leben hinter mir als vor mir habe. Und trotzdem, oder gerade deswegen, kultiviere ich meinen Optimismus, meine Hoffnung. Alles andere ergibt keinerlei Sinn.

Panel Urania Optimismus