Positive Psychologie im Business: Wie kommt der Sinn in die Arbeit?

SPIRE | Michael F. StegerIch bin ein großer Fan der Arbeit von Professor Michael F. Steger (Colorado State University), einem der weltweit wichtigsten Forscher, wenn es um die Frage nach dem Sinn des Lebens und auch des Sinns (in) der Arbeit geht. Persönlich bin ich nicht ganz sicher, ob er sich selbst so bezeichnen würde, aber zumindest genießt seine Forschung einen hohen Stellenwert bei Positiven Psychologen bzw. in der Positiven Psychologie.

Tatsächlich ist Michael nicht nur ein erstklassiger Forscher, sondern auch in der Lage, auf Basis seiner Arbeit gut verständliche und einprägsame Hilfestellungen für Führungskräfte und Mitarbeiter von Organisationen zu erarbeiten. Aus diesem Grund war ich mehr als glücklich, als Michael sich bereiterklärte, mit mir an einem Aufsatz zu arbeiten, der 2017 in der Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung erschienen ist. In diesem Text geht es um die Frage, was Führungskräfte direkt am Mann und an der Frau tun können, damit die Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnvoll erleben (KAARMA).

Heute möchte ich ein anderes von Steger entwickeltes Konzept vorstellen. Während es bei KAARMA um die Rolle der Führungskraft geht, beschäftigt sich SPIRE (engl.: die Spitze) mit der Frage, welche Ressourcen Mitarbeiter unmittelbar in den Händen halten, um die Sinnwahrnehmung im Rahmen ihrer Aufgaben zu stärken. Die fünf Bausteine von SPIRE hat Michael Steger aus etwa 40 Jahren an Forschung rund um das Thema Arbeitssinn synthetisiert.

Stärken

In Stegers Worten: Know your unique strengths and talents, and use them in executing your work, even if that means going above and beyond your basic job duties.

Um diesen Rat beherzigen zu können, ist es natürlich notwendig, zunächst mehr über die eigenen Stärken zu erfahren. Ein guter Ausgangspunkt hierfür ist der VIA Test, welcher auf der Basis eines von Chris Peterson und Martin Seligman in den Anfangstagen der Positiven Psychologie beschriebenen Systems von 24 Charakterstärken entwickelt wurde. Alternativ könnten Sie Ihr Reflected Best Self™-Portrait erstellen, eine Methode zu Entdeckung der eigenen Stärken, welche am Center for Positive Organizations (Ross School of Business) erarbeitet wurde. In diesem LinkedIn-Artikel erläutere ich, wie das funktioniert.

Personalisierung

In Stegers Worten: Bring more of yourself to work, align work with your values, take responsibility and adopt an ownership mentality for your work and your organization.

Eine lohnenswerte Methode, um diesen Weg der (erhöhten) Verantwortungsübernahme zu beschreiten, ist das Job Crafting, zuerst beschrieben von Professor Amy Wrzesniewski (Yale). Vereinfacht gesagt geht es darum, durch kontinuierliche selbstgesteuerte Veränderungen aus dem Job, den man aktuell hat, langsam aber sich jenen zu machen, den man eigentlich haben möchte. In diesem Artikel aus der Zeitschrift managerSeminare, für den ich interviewed wurde, wird beschrieben, wie das funktioniert.

Integration

In Stegers Worten: Integrate the motivation of and execution of your job with other elements of your life, work in ways that bring meaning to the rest of your life.

Auch dieser Ratschlag ist keiner, den man „mal eben so“ umsetzen kann. Die richtige Balance (oder eher: Mischung?) zwischen unseren verschiedenen Persönlichkeitsanteilen und Wertvorstellungen zu finden, scheint mir eher ein lebenslang fortlaufender interner Explorations- und Verhandlungsprozess zu sein. Ein Kapitel in meinem Buch Lizenz zur Zufriedenheit widmet sich diesem Thema intensiv. Auch dieser wunderbare Artikel aus der Harvard Business Review gibt wertvolle Hinweise: How to Make Room in Your Work Life for the Rest of Your Self

Resonanz

In Stegers Worten: Learn your organization’s core values and mission, find ways in which it resonates with your personal mission and meaning through everyday work.

Wie beim Aspekt der Stärken wird auch dieser Pfad nicht ohne ein gewisses Maß an Selbstentdeckung zu beschreiten sein. Unsere persönliche Mission mit jener unseres Arbeitgebers in Einklang zu bringen, erfordert notwendigerweise, dass man eine ebensolche Mission für sich selbst bereits entdeckt bzw. entwickelt hat. Ich persönlich habe lange mit der Idee einer solchen persönlichen Mission gehadert, gerade auch in Abgrenzung zu dem, was im Amerikanischen „Purpose“ genannt wird. Dieser Artikel vom Disney Institute in der Harvard Business Review hat mit seinerseits sehr weitergeholfen mit der Thematik – und so möchte ich Ihnen diesen ans Herz legen: The Difference Between Purpose and Mission.

Expansion

In Stegers Worten: Seek ways in which your work can be grown to benefit some greater good, expand your concerns to embrace broader interests beyond your self.

Es gibt endlos viele Möglichkeiten, diesen Weg zu beschreiten. Als Inspiration für den Anfang mag dieser New York Times-Artikel dienen, welcher, basierend auf seinem Buch „Give and Take“, einige Forschungsergebnisse des „Star-Professors“ Adam Grant (Wharton Business School) beleuchtet.

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Die oben genannten Empfehlungen sollten Ihnen helfen, nach und nach einen sinnerfüllteren Weg im Rahmen ihrer Arbeit einzuschlagen. Selbstverständlich wäre es keine gute Idee, alle fünf Wege gleichzeitig zu beschreiten. Ich schlage vor, dass Sie mit jenen ein oder zwei Pfaden beginnen, die Ihnen jetzt gerade am attraktivsten oder auch machbarsten erscheinen.

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