Nico Rose - Elements

Über die Kuhkrawatte, Gründergeist – und deutsche Bräsigkeit

Verschiedene deutsche Leitmedien haben in den vergangenen Tagen über einen rund 20 Jahre alten TV-Ausschnitt berichtet, in welchem Christian Lindner, noch zu Abiturzeiten, gemeinsam mit einem Kompagnon als Jungunternehmer portraitiert wird. Selbstbewusst und eloquent berichtet er dort über seine unternehmerischen Visionen, im Anzug, mit einer aus heutiger Sicht modisch vielleicht etwas fragwürdigen Kuhfleckenkrawatte.

Zum letzten Punkt: Wer Bilder von vor 20 Jahren von sich betrachten kann, ohne dass eine leichte Schamesröte aufsteigt, der werfe den ersten Stein. Ich sah damals jedenfalls so aus (doch das ist eine Nebensächlichkeit):

Nico Rose | MopedMal abgesehen davon, dass wir im aktuellen Wahlkampf dringlichere Probleme haben als Christian Lindners Outfits – ich sage nur: AFD stabil zweistellig in den Umfragen – ist die Geschichte für mich Ausdruck eines viel tiefer liegenden Problems:

#Kuhkrawattengate ist letztlich nur einer von vielen Beispielen für eine gewisse deutsche Bräsigkeit, der Ausdruck eines tiefsitzenden Vorbehalts gegenüber Unternehmertum, Startups – und allgemein Menschen, die klare Ziele für ihr Leben haben und sich trauen, diese auch selbstbewusst zu kommunizieren.

Bill Gates war um die 20, als er Microsoft gründete. Mark Zuckerberg war etwa gleichaltrig, als er Facebook startete. Gleiches gilt für Evan Spiegel und Snapchat – und diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. All diese Unternehmen konnten nur erfolgreich werden, weil früh jemand an sie glaubte, seien es erste Kunden, Risikokapitalgeber oder auch nur Mentoren – und zwar trotz der Milchgesichtigkeit oder des vielleicht etwas spätpubertären Auftritts der Gründer.

In den USA hätte man Christian Lindner und seinem Kompagnon vielleicht Kapital gegeben und einen Mentor an die Seite gestellt. Man hätte sie unter Umständen gefördert und ihnen dabei geholfen, ihr Unternehmen erfolgreich zu machen – und vielleicht gutes Geld damit verdient. In Deutschland wird leider nur gelacht, damals wie heute.

Schon der ursprüngliche Beitrag ist geprägt von einer unangenehmen Süffisanz. Anstatt den Optimismus und Gründergeist der jungen Menschen in ein positives Licht zu rücken, werden diese subtil, zwischen den Zeilen, der Lächerlichkeit preisgegeben.

Wie viele hunderttausend Kids haben das damals gesehen? Wie viele kreative Unternehmensideen sind damals im Keim erstickt worden, weil (leicht beeinflussbaren) Jugendlichen vermittelt wurde, dass Unternehmer „uncool“ seien? Wie viele Arbeitsplätze sind dadurch nicht geschaffen worden?

Eine Studie hat jüngst herausgefunden, dass unseren Schülern schon in Schulbüchern nicht selten eine wirtschaftsfeindliche Perspektive vermittelt wird (Bericht auf ZEIT Online). Das zeigt offenbar Wirkung: Das Gros der aktuellen Uniabsolventen möchte am liebsten in den Staatsdienst (Bericht auf FAZ Online). Wie viele dieser jungen Menschen hätten der nächste Dr. Oetker, Hasso Plattner – oder von mir aus auch Frank Thelen werden können?

Es ist äußerst betrüblich, dass nun (erneut) über diesen Beitrag gelacht wird. Deutschland braucht – mehr denn je – Mut und Optimismus, kluge Ideen und kluge Köpfe, die diese Ideen unternehmerisch umsetzen. Wir haben als Land die erste und zweite Digitalisierungswelle komplett verpennt, fast alle Milliardenunternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen der letzten 20 Jahre sind in den USA entstanden, einige wenige im fernen Osten oder Israel. Uns allen wird das Lachen bald vergehen, wenn wir auch die nächste Digitalisierungswelle verschlafen.

Wir brauchen in diesem Land deutlich mehr junge Menschen – von mir aus auch mit Kuhkrawatte – die ihre unternehmerischen Vision verfolgen und dabei auch ein bisschen „auf die (Kuh)Kacke hauen“. Klappern gehört zum Handwerk, weiß auch der Volksmund. Lasst uns diese jungen Gründer fördern und begleiten, anstatt ihnen symbolische und echte Steine in den Weg zu legen.

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Full Disclosure: Ich bin Mitglied der FDP und des Wirtschaftsforums der Liberalen, aber das tut nicht viel zur Sache. Die FDP und Christian Lindner haben schon viele Schmähkampagnen ohne mich überstanden, sie brauchen meine Hilfe nicht.