Die Seite Netzpiloten hat den HR Future Day 2018 (veranstaltet von Bommersheim Consulting und der Akademie der Deutschen Medien) begleitet und kürzlich eine Zusammenfassung des Tages in München ins Netz gestellt. Nico Rose hatte als Teil der Veranstaltung eine Keynote über Positive Psychologie und Sinn-Erleben gehalten. Die Netzpiloten haben auch Teilnehmerstimmen zum Kongress gesammelt. Besonders gefreut hat mich naturgemäß diese hier:
„Dr. Nico Rose mit seinem „Return on Sinnvestment“ hat mir tolle Gedankenanstöße gegeben, die ich bereits eine Woche später in unserem Managementworkshop umsetzen konnte.“
Meine Partei, die FDP, hat ein Frauenproblem. Konkreter ausgedrückt: viele Frauen haben ein Problem mit der FDP. Der Anteil weiblicher Mitglieder liegt knapp über 20%, der Anteil an Frauen bei den Neueintritten sogar unter 20%. Führende Parteimitglieder, inklusive Christian Lindner, haben in den vergangenen Wochen mehrfach öffentlich bestätigt, dass diese Herausforderung hohe Priorität für die Parteispitze genieße, man an einem Maßnahmenkatalog arbeite – und dabei sogar über noch nicht näher definierte Quotenregelungen nachdenke (z.B. hier in der WELT).
Ich habe der Parteiführung hierfür meine Unterstützung zugesagt und die entsprechende Berichterstattung auch mehrfach in verschiedenen sozialen Medien, allen voran Twitter, geteilt – um mit schöner Regelmäßigkeit mittelgroße Shit-Störmchen zu ernten. Ich werde an dieser Stelle nicht auf irgendwelche tumben Beleidigungen, meist aus dem mit der AFD sympathisierenden Umfeld, eingehen. Geschenkt. Stattdessen möchte ich auf einige der vernünftigen Diskussionen zu sprechen kommen, die ich führen durfte.
Mir fiel prägnant auf, dass sich neben einer Reihe von Männern auch viele Frauen gegen eine Quote aussprachen. Nach meiner Erfahrung ergibt es wenig Sinn, sich darüber zu streiten, was „gerecht“ ist, das hat noch nie zu etwas geführt. Besser ist es, sich darüber zu streiten, was bei gegebener Sachlage „gerechtfertigt“, also angemessen ist, um eines Problems Herr zu werden (…an dieser Stelle fällt mir auf, wie sehr Sprache ein Teil des Problem sein kann…) – wohlweislich der Tatsache, dass jede Lösung die Wurzel eines neuen Problems sein kann.
Ich greife hier (verkürzt) jene drei Argumente auf, die mir am häufigsten begegnet sind:
Zu Punkt 1)
Das stimmt. Wenn allerdings eine große Bevölkerungsgruppe systematisch, mittlerweile aber vor allem systemisch, benachteiligt wird (Und ja, das ist auch heute noch dezidiert der Fall, wie ich weiter unten ausführen werde…), ist das eben auch nicht besonders liberal. Hier geht es also um eine klassische Güterabwägung.
Zu Punkt 2)
Das ist theoretisch möglich. Die einfache Wahrheit ist allerdings, dass es seit Anbeginn der Zivilisation in praktisch allen Bereichen des wirtschaftlichen und politisch-öffentlichen Lebens strenge implizite, zum Teil allerdings auch explizite, Männerquoten gab. Zumindest überall dort, wo es um die Verteilung von Macht und Geld ging. Kleines Beispiel gefällig? Ich wurde 1978 geboren. Bis zum Jahr davor durften Männer in Deutschland noch per Gesetz bestimmen, ob ihre Ehefrauen überhaupt arbeiten gehen durften.
Zu Punkt 3)
Das kann ich gut nachvollziehen. Die Herausforderung: Das Gros der Männer* hat und hatte noch nie ein Problem damit, durch ungerechtfertigte Vorteile aufzusteigen. Siehe Punkt 2. Ich arbeite in einer „gehobenen Position“ in der Wirtschaft, bin im Wirtschaftsforum der FDP, Menschen zahlen mit gutes Geld für meine Vorträge. Die traurige Wahrheit ist: Vieles davon hat mit verschiedenen Formen von Unconscious Bias zu tun: Ich bin weiß, 1.90m groß, habe eine tiefe Stimme und ein kräftiges Kinn. Das reicht in vielen Kontexten, um (vorbewusst) als führungstauglich angesehen zu werden. „Die Wissenschaft“ hat das ein ums andere Mal bestätigt.
Es gibt allerdings noch ein weiteres Argument gegen Quotenregelungen, welches mir häufig begegnet. Diesem möchte ich mich im Hauptteil dieses Aufsatzes annehmen, weil hier meines Erachtens die größte Hürde auf dem Weg zu echter Gleichstellung von Frau und Mann (Sind sie bei dieser Formulierung vielleicht kurz gedanklich gestolpert?) besteht. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Situation der FDP, sondern für den gesamten Themenkomplex. Das Argument lautet verkürzt:
Wo ist denn bitte das Problem? Wir haben doch schon seit Jahrzehnten Chancengleichheit in Deutschland.
Das ist sachlich korrekt im juristischen Sinne – betrachtet allerdings ausschließlich die Kirsche auf der Sahne auf dem Eisbecher, der auf der Spitze des Eisbergs abgestellt wurde. Jede Partei hat, gemäß ihrer Grundüberzeugungen und Programmatik, blinde Flecken. Das ist völlig normal, wenn auch nicht zwingend wünschenswert. Den Liberalen sind die Rechte und die Stärkung des Individuums ein hohes Anliegen (Das ist auch der Grund, warum ich mich hier am ehesten politisch zuhause fühle.). Folglich werden Lösungen auch vorrangig auf der individuellen Ebene gesucht. Verkürzt gesagt: „Wenn wir den Einzelnen stark machen, wird er/sie es schon richten.“
Der blinde Fleck liegt dort, wo die stärkenden oder schwächenden Wirkungen von Systemen und inkrementellen Effekten über den Verlauf der Zeit ausgeblendet werden. Da heutzutage offenbar nichts mehr ohne Storytelling geht, versuche es daher an dieser einmal mit einer Metapher.
Stellen wir uns vor, eine Gesellschaft hätte es sich vor einigen Jahrzehnten zum Ziel gesetzt, möglichst gleich viele männliche und weiblich Bergsteiger „auf die Spitze“ zu bekommen. Es wird durchaus anerkannt, dass Männer hier einige Vorteile genießen durch ihre – im Mittel – größere Körperkraft. Allerdings glaubt man, dass Frauen dies durch – im Mittel – höhere Beweglichkeit und andere Vorzüge durchaus ausgleichen können.
Nach ein paar Jahrzehnten der gesetzesmäßigen Gleichstellung aller Bergsteigerinnen und Bergsteiger fragen sich einige Menschen, warum es nach Faktenlage immer noch so wenige Frauen bis „ganz nach oben“ schaffen. Tatsächlich zeigt sich, dass auf vielen Bergspitzen kaum Frauen zu finden sind. Wenn es dann doch mal eine schafft, wird ihr zumeist nicht die gleiche Anerkennung zuteil – oder es wird gesagt, sie habe das nur geschafft, weil sie ja eigentlich (wie) ein Mann sei.
Eine Expertenkommission wird daraufhin mit einer Analyse beauftragt. Das Ziel: die Gründe für den Mangel von Frauen auf der Bergspitze herauszuarbeiten – obwohl ja offensichtlich „gleiches Recht für alle“ herrscht. Dabei wird ganz bewusst neben den Jahrzehnten, in denen vor dem Gesetz alle gleichgestellt waren, jene Periode betrachtet, in der dies nicht der Fall war. Konkret: mehrere tausend Jahre, bis zum Anbeginn der menschlichen Zivilisation. Diese Analyse trägt Folgendes zutage:
Soweit die Ergebnisse der Analyse.
Als eine von vielen Gegenmaßnahmen schlägt die Expertenkommission vor, man könne doch beispielsweise – für einen begrenzten Zeitraum von einigen Jahren – leistungsfähige Lifte bauen, um ganz gezielt Frauen in die Nähe der Spitze zu bringen. Warum nicht sogar ein paar besonders qualifizierte Frauen mit Hubschraubern direkt oben absetzen (So wie es die Inhaber der Berge in Privatbesitz schon immer mit ihren Söhnen getan haben.)? Von dort aus könnten diese Frauen eigene Seilschaften koordinieren, jungen Bergsteigerinnen den Weg leuchten – und schlicht und ergreifend dafür sorgen, dass Bergsteigerinnen auf der Spitze ein völlig normales Bild werden – so dass sich über den Verlauf von einigen Jahrzehnten echte Chancengleichheit, nicht nur Gleichheit vor dem Gesetz, ergeben würde.
Ich bin verhalten pessimistisch, was die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung dieses Vorschlags zum Wohle von Bergsteigerinnen angeht. Es müsse doch ausreichen, dass Frauen schon seit längerer nicht mehr offen und aktiv diskriminiert würden, werden viele sagen. Positive Diskriminierung für Frauen, wenn auch nur für ein paar Jahre, so wie seit Jahrtausenden unverhohlen für Männer praktiziert, sei einfach nicht hinzunehmen.
Ich kann die Haltung all jener Frauen nachvollziehen, die sagen: „Ich möchte keine Quotenfrau sein.“ Ich respektiere das ausdrücklich, halte diese Auffassung aber für nicht hilfreich, um das Problem schnell und nachhaltig zu lösen. Ich wünsche mir allerdings, dass die wichtige gesellschaftliche Herausforderung der (echten) Gleichstellung von Frau und Mann – so oder so – langfristig gelöst wird.
Vielen Männer* werden meinen Standpunkt indes nie nachvollziehen können, da mache ich mir keine Illusionen. Nach einer Begründung gefragt werden sie sagen: „Des kannst net machen. Weil des geht echt net.“
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*Jenen Mitmännern, bei denen Hopfen und Malz noch nicht verloren sind, lege ich gerne einen aktuellen Artikel über Advantage Blindness im Harvard Business Review ans Herz.
Viele Menschen, denen ich begegne, zeigen großes Interesse an der Positiven Psychologie, haben aber bisweilen Schwierigkeiten sich vorzustellen, wie die Erkenntnisse und Methoden dieser Disziplin in der betrieblichen Praxis umgesetzt werden können.
Ich möchte daher an dieser Stelle auf einige Quellen verweisen, in denen solche Tools in Ansätzen vorgestellt werden. Zunächst bietet es sich an, einen übergreifenden Rahmen für die Positive Psychologie bereitzustellen.
Der Grundgedanke der Positiven Psychologie: so wie sich auch im Feld des körperlichen Wohlbefindens mehr und mehr das Konzept der Salutogenese durchsetzt, sind Positive Psychologen der Auffassung, dass ein gelungenes, sinnerfülltes Leben nicht allein durch die Abwesenheit von Störungen und Einschränkungen beschrieben werden kann. Wenn es also um so etwas wie „Erfüllung“ geht: Was sollte denn da sein?
Um dies möglichst umfassend zu definieren, prägte der Spiritus Rector der Positiven Psychologie, Martin Seligman das Akronym PERMA. Es besteht aus den englischen Begriffen „Positive Emotions“, „Engagement“, „Relationships“, „Meaning“, und „Achievement“. Die Positive Psychologie fragt also (u.a.):
Mehr und mehr Studien zeigen auf, dass Unternehmen, die ihre Kultur und konkrete Arbeitsgestaltung anhand der PERMA-Kriterien entwickeln, nicht nur eine höhere „psychologische Rendite“ für ihre Mitarbeiter erzielen, sondern auch betriebswirtschaftlich erfolgreicher agieren.
Wenn Sie mehr wissen möchten, sprechen Sie mich bitte persönlich an!
In der WirtschaftsWoche Online ist ein neuer Beitrag von Dr. Nico Rose erschienen. Dieser Text ist – Stand heute – Auftakt zu einer Serie von Beiträgen, in denen Nico Rose häufig geteilten Motivations- und Sinnsprüchen auf den Zahn fühlt.
In dem Beitrag geht es um die Frage, wie Menschen gestärkt aus Krisen hervorgehen können.
Eine Zusammenfassung von Dr. Nico Rose Studie zu KAARMA-Leadership (erschienen in der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung 04/2017) über sinnstiftende Führung ist gerade in englischer Sprache auf der Seite Positive Psychology News Daily erschienen. Den Beitrag gibt es hier.
The “Spiritus Rector” of Positive Psychology, Martin Seligman, has authored his autobiography. It´s called The Hope Circuit and was published with the imprint Public Affairs. I was able to read an early draft and can say it´s a fasninating read – not only for people interested in Positive Psychology, but also in psychology and science in general. Scott Barry Kaufman, a former co-worker at the Penn Positive Psychology Center has written a candid and entensive review for Scientific American. Enjoy!
Weiterlesen auf Mappalicious: Marty Seligman´s Memoir “The Hope Circuit” is out now!
Im Rahmen des Wacken Open Air 2017 hatte Dr. Nico Rose die Gelegenheit, des legendären Musiker Uli Jon Roth zu interviewen, der bis zum Jahr 1978 maßgeblich die Musik der Scorpions beeinflusst hat und im Anschluss als Solokünstler außergewöhnliche Anerkennung erfuhr. Ein Auszug dieses Gesprächs wurde nun hier veröffentlicht.
Dabei geht es zwar auch um Ulis Musik, vorrangig aber seine Entwicklung als Künstler – und wie verschiedene Formen der Inspiration ihn zu dem Ausnahmemusiker haben werden lassen, der er heute ist.