Vergangenen Dezember durfte ich eine Woche an der Ross School of Business in Michigan verbringen. Ich nahm teil an einem Kurs namens The Positive Leader: Deep Change and Organizational Transformation. Es handelte sich um eine formidable Tour de Force durch die wichtigsten Theorien und Anwendungsmöglichkeiten der Positiven Psychologie in Organisationen (auch Positive Organizational Scholarship genannt).
Dort lernte ich ein Werkzeug näher kennen, welches ich heute mit Ihnen teilen möchte. Im Englischen wird es Reflected Best Self Exercise™ genannt (Das beste Selbst im Spiegel). Es hilft uns, mehr über unsere individuellen Stärken zu erfahren und wie wir wahrgenommen werden, wenn wir außergewöhnlich leistungsfähig sind. Zusammengefasst geht es darum, eine Gruppe von Menschen darum zu bitten, uns Begebenheiten zu schildern, in denen diese uns als besonders wirksam, erfolgreich oder vorbildlich wahrgenommen haben. Wir bitten also um Feedback über unsere Kapazität für Bestleistung – und nur darüber. Was ist so besonders daran, ausnahmeweise einmal nur positives Feedback zu erhalten?
Es ist außergewöhnlich, weil wir normalerweise nur gemischte Botschaften erhalten, zum Beispiel im Rahmen einer Leistungsbewertung auf der Arbeit. Der springende Punkt: Rick Hanson, der Autor von Hardwiring Happiness, drückt das gerne so aus:
Unser Gehirn ist mit Klettverschlüssen beschichtet, wenn es um negative Informationen geht und mit einer Teflonschicht für positive Informationen.
Selbst, wenn das Feedback, das wir typischerweise erhalten, größtenteils positiv ist, drängt unser Gehirn uns dazu, fast ausschließlich auf die negativen Botschaften zu achten. Dieser Modus der Informationsverarbeitung hat uns über die Jahrtausende geholfen, als Spezies zu überleben (bitte lesen Sie diesen Artikel für mehr Details), aber er hindert uns auch daran, „das Gute“ wirklich an uns heranzulassen – außer, wir erlauben uns explizit, uns auf diese Seite des Kontinuums zu fokussieren.
Wie können wir wachsen, wenn wir uns nicht auf unsere Schwächen konzentrieren? Im Amerikanischen gibt es den Merksatz „Where attention goes, energy flows” (Wo unsere Aufmerksamkeit liegt, dort fließt auch unsere Energie hin). Unser bestes Selbst besser ken-nenzulernen hilft uns:
Der letzte Punkt scheint mir von besonderer Bedeutung. Er steht in Zusammenhang mit dem sogenannten Pygmalion-Effekt, einem Phänomen, wonach höhere Erwartungen an/in andere Menschen faktisch zu gesteigerter Leistung führen. Wenn wir andere Personen bitten, unsere positiven Seiten zu reflektieren, dann helfen wir diesen, unseren Möglichkeitsraum zu erweitern, unser Reservoir ungenutzter Ressourcen und Potenziale. Indem sie uns authentisch auf unsere Stärken und außergewöhnlichen Fähigkeiten hinweisen, helfen sie uns, mehr zu sein als wir (gegenwärtig) sind. Anders gesagt: Was wir wertschätzen, wird wertvoller.
Verändern Sie Ihre Rolle (optional): Nun, da Sie Ihr Portrait verfasst haben: Was können Sie damit anfangen? Für den Anfang könnte es eine gute Idee sein, einen Ausdruck davon in einer Ecke Ihres Büros aufzuhängen, so dass Sie es in den Blick nehmen können, wenn es mal wieder stressig wird. Dies wird Ihnen helfen, Gelassenheit zu bewahren über die Grenzen der augenblicklichen Situation hinaus zu blicken. Auf lange Sicht ist es hilfreich, über die übergreifenden Implikationen Ihrer besten Seite nachzudenken:
Ich hoffe, Sie werden Freude und neue Einsichten mit dieser Übung haben; für mich war dies definitiv der Fall. Ich habe sie vor einiger Zeit bereits einmal in einer abgespeckten Variante durchgeführt und dafür Rückmeldungen via Social Media genutzt. Über dieses Experiment können Sie hier lesen.
Sie finden eine ausführlichere Beschreibung der Übung, ihrer Anwendung und der zugehörigen Forschung in den beiden folgenden Artikeln: